In cantina

Der Weg des Weins: ein Spaziergang durch Manincor, zweiter Teil

Gewaltig endet so das Jahr
mit goldnem Wein und Frucht der Gärten,
rund schweigen Wälder wunderbar.

- Georg Trakl -

Zwei Jahre nach dem Walk on the wild side setzt Graf Michael den Spaziergang mit dem Gast fort. Fast zur selben Jahreszeit – und doch ist vieles anders. Mit aller Kraft müht sich die Sonne und wirft ein melancholisch-schönes Licht auf die Weinlandschaft und den See. Ein kurzer Besuch bei den Schafen, die wieder aus dem Ötztal da sind. Unübersehbare Freude, alle wieder daheim zu haben.

Wir setzen unseren Weg fort, wo der letzte Spaziergang endete: an der Rampe, die zum Keller hinunter führt. Der „Keller im Weinberg“, wie er nach seiner Fertigstellung vielfach und richtig genannt wurde, ist eine Manifestation der nachhaltigen Denkweise in Manincor. Der unterirdische Bau hat viele Vorteile: Kulturgrund blieb erhalten, der Keller wird thermisch vom Weinbergboden abgedeckt. Zu Temperaturausgleich dient im Winter Erdwärme, im Sommer wird Wärme in den Boden zurückgeführt. Zusätzlich heizt eine Biomasseanlage mit Holzschnitzeln aus dem eigenen Wald und aus Apfel- und Rebholz. Manincor ist eine erdöl- und erdgasfreie Zone. Die Nutzung der Mondzyklen und der Schwerkraft über drei Stockwerke ersetzt weitgehend den Einsatz von Pumpen und auch Filtration. Die Kräfte und Zyklen der Natur helfen also auch im Keller, Energieressourcen zu schonen.

Nichts ohne innere Überzeugung
Die Temperatur ist ein besonders kritischer Faktor, wenn die Trauben nach der Ernte zur Verarbeitung angeliefert werden. Im Sommer, wenn es zuweilen über 30 Grad hat, wird oft früh am Morgen geerntet, solange es noch kühl ist. Danach kommen die Trauben in eine Kühlzelle, wo sie auf 10 Grad gekühlt werden, in Ruhe auf die weitere Verarbeitung warten und – man möchte meinen – sich von der Aufregung der Ernte erholen können. Dann werden sie mit dem Lift in den ersten Stock gebracht. Die weiteren Verarbeitungsschritte über die drei Stockwerke geschehen hauptsächlich mit Hilfe der Schwerkraft. Traditionelle Arbeitsweisen verbunden mit moderner Technik.

Auf Manincor wird nichts ohne innere Überzeugung getan. Respektvoller Umgang mit der Natur ist selbstverständlich, und so wundert es nicht, wenn die Trauben gleichsam mit Samthandschuhen behandelt werden. Schon bei der Ernte wird mit größter Sorgfalt gearbeitet und darauf geachtet, dass nur gesunde Trauben gelesen werden. Solange die Beeren ihren Stiel noch haben, sind sie einigermaßen geschützt. Beim Transport ist es wichtig, darauf zu achten, die Früchte nicht zu beschädigen – vorzeitiges Aufplatzen der Schalen mindert die Qualität.

Zurück zu den Trauben, in den ersten Stock: Gerade werden die Fässer gereinigt – ausschließlich mit heißem Wasser – und für den nächsten Jahrgang vorbereitet. Auf einem Förderband werden die Trauben noch einmal kontrolliert und wenn nötig aussortiert, von zwei, vier oder gar sechs Händen und Augen, bevor sie in die Rebel fallen und dort vom Stiel befreit werden. Aus der Rebel gleiten sie dann einen Stock tiefer direkt ins Fass, wo ihre eigentliche „Arbeit“ beginnt.

Die Gärung beginnt
Die Trauben für den Rotwein bleiben „auf den Schalen“ liegen, wie man sagt; dabei tritt langsam der Saft aus, und aus der Schale löst sich der rote Farbstoff. Sobald der Traubensaft ein wenig Farbe angenommen hat, werden etwa zehn Prozent davon für unseren Rosé, La Rose de Manincor, abgezogen und in eigene Fässer gefüllt. „Salasso“ (ital.) oder „Saignée“ (frz.) nennt man diesen Vorgang, dessen Ergebnis ein doppelter Gewinn ist: einerseits unser hervorragender Roséwein und andererseits eine Konzentration der im Fass verbleibenden Maische. Bei Weißweinen gelangt der abgepresste Most ohne Schalen zur Gärung in das Fass.

Nun liegen die Rotweintrauben also im Fass. Allmählich erwärmt sich die Maische. Nach drei oder vier Tagen tun die wilden, natürlichen Hefen ihre Wirkung, und die Gärung beginnt spontan. Die Faszination für diesen natürlichen Prozess ist Graf Michael anzumerken. Liebevoll umhegt werden die Trauben zwar sich selbst, dabei aber nichts dem Zufall überlassen.

Eine Woche bis zehn Tage dauert die Gärung; während dieser Zeit wird der Tresterhut – also die Schicht aus Traubenschalen, die oben schwimmt – immer wieder nach unten gedrückt um die Geschmacksstoffe zu extrahieren. Alles geht sanft vor sich. So wird auf Pumpen verzichtet, weil diese die Traubenschalen zu sehr beschädigen und dabei Trub und unerwünschte Bitterstoffe freigesetzt werden. Nach der eigentlichen Gärung bleibt der Wein manchmal noch etwas auf den Schalen liegen, bevor er, der Schwerkraft folgend, ein weiteres Stockwerk nach unten fließt.

Die zweite Runde durch den Keller
Der nächste Schritt der Rotweine ist der Weg ins große Holzfass oder ins Betonfass. Dort setzt sich der Trub – so nennt man die Schwebstoffe – ab, und gleichzeitig beginnt auf natürliche Weise der biologische Säureabbau. Diese „malolaktische Gärung“ dauert normalerweise vier bis acht Wochen; dabei wird die Apfelsäure in die mildere Milchsäure umgewandelt, was für die Genießbarkeit des Weins wesentlich ist. Anschließend wird der Wein bei abnehmendem Mond (wir sind davon überzeugt, dass diese kosmischen Zyklen die Lebensrhythmen auf der Erde beeinflussen), abgezogen und in die kleinen Holzfässer gefüllt, wo er 14 bis 20 Monate reift. Die Weißweine und der Roséwein vergären als Saft in den größeren Holzfässern von 500 bis 3.000 Litern. Moscato Giallo und Rosé reifen fünf Monate in den Fässern auf der Feinhefe, die anderen Weißweine neun Monate bis in den Mai hinein.

In Manincor reifen alle Weine in Holzfässern. Holz isoliert gegen Kälte,Wärme, Lärm, Vibrationen und Elektrostrahlung und ermöglicht zugleich dem Wein das Atmen – er soll unserer Philosophie entsprechend mit den umgebenden Elementen durchaus in Verbindung bleiben, wenn auch in kleinsten Dosen. Etwa 650 Barriquefässer gibt es in Manincor, wovon 80 pro Jahr jeweils mit neuen Fässern ersetzt werden, 30 davon können aus dem gutseigenen Eichenholz hergestellt werden.

Man geht nie zweimal durch denselben Weinkeller. Helmuth Zozin, Weingutsdirektor und Önologe, zeigt „seinen“ Weinkeller im Berg. Der Weg des Weins durch den Keller ist auch beim zweiten Rundgang kein anderer. Wie Helmuth Zozin ihn schildert, das ist der Unterschied.

Zuerst spricht auch er über die Trauben: Eine sinnliche, sensible Frucht, die Höchstleistungen bringt, sagt er, wenn man sie mit wenig, fein abgestimmter und präziser Technik begleitet. Alles, was die Traube kann, ist schon in ihr vorhanden. Zur Zeit der Ernte spiegelt sie Sonne, Regen, Wind, Boden und alles das, was ihr im Lauf eines Jahres widerfahren ist. Der Gärungsprozess erweitert diese natürliche Sinnlichkeit und macht sie erfahrbar – wenn alles gelingt. Man kann nur das in die Flasche bringen, was bereits da ist.

Das Wichtigste, das sagen Graf wie Direktor, sind die "Samthandschuhe". Und gute Augen und flinke Hände beim Selektieren von Fehlbeeren, möglichst schon im Weinberg.

Respektvoll, sanft, fein
Kritisch wird es, wenn die Trauben übermäßiger mechanischer Belastung ausgesetzt werden, was nicht notwendig ist, wenn man – siehe oben – zum richtigen Zeitpunkt und so sanft wie möglich erntet und sie auch danach so behandelt, wie man eigentlich mit einer wertvollen Frucht, wie die Weinbeere eine ist, umgehen sollte: respektvoll, sanft, fein.

„Fein“ ist überhaupt das Wort, das Helmuth Zozin gerne verwendet, wenn er über die Produktion, die Qualität, die Weine spricht. Er weiß was er tut, kennt die natürlichen Prozesse. Ruhig und sicher entscheidet er, was zu welchem Zeitpunkt gemacht werden kann und soll, damit die Weine fein werden. Wie ein Dirigent. Weine „ohne Fett und Schminke“, Weine für den zweiten Moment, die auf lange Sicht erfreuen, lang anhaltend im Geschmack.

So schaut der Weg der Trauben durch den Keller im Weinberg also aus. Und nun: der Weg des Weines in Ihr Glas!

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